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NS-Zwangsarbeit am Erzberg (Steiermark) 
 
 
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Andere Erz-Standorte (2) - Salzgitter

Projekt Eisenerz 2001 
 
(D) Materialien  
 
Erzverarbeitung und Zwangsarbeit in den Reichwerke Hermann Göring/Salzgitter 
 
 
 
 
Harzer Erz 
Die Reichwerke Hermann Göring/Salzgitter
 
 
Von verschiedenen Homepages 
 
 
Um die unrentable Erzförderung zu betreiben, wurde von der Nazi- Regierung die AG "Reichswerke Hermann Göring" gegründet, die den Anteil der in Deutschland geförderten Erze von 12,5 auf 50 teigerte. Die Rohstoffe wurden der Industrie zu günstigen Preisen zur Verfügung gestellt. Die Verluste trug die Staatskasse.  
Bereits am Ende 1937 waren sämtliche Rohstoffvorräte aufgebraucht und die gesamten Gold- und Devisenreserven des Reiches betrugen nur noch 74 Mill. RM - eine Summe die kaum ausreichte, die Tagesausgaben zu decken. Anfang 1938 war die Handelsbilanz wieder negativ und erreichte im Laufe des Jahres ein Defizit von 132 Mill. RM. Die Industrieproduktion ging drastisch zurück.  
Die Gruppe um Schacht schlug vor, dem Export zeitweilig den Vorrang zu lassen, eine enge Zusammenarbeit mit den Westmächten anzustreben, um über eine Anleihe und die Rückgabe der Kolonien zu verhandeln.  
Die IG-Farben-Gruppen setzte alles auf die Karte "Rüstung" und verlangte den Vierjahresplan-Kurs auf Biegen und Brechen fortzuführen und sofort mit der Ausführung des Eroberungsprogramms zu beginnen - auch gegen die Westmächte.  
Am 5. November 1937 fand in der Reichskanzlei eine Besprechung (siehe "Hoßbach-Protokoll") statt, in deren Verlauf Hitler eingestehen mußte, daß die Vierjahresplan-Politik fehlgeschlagen war. Er erklärte, dass die ersten Schritte die Niederwerfung der Tschechoslowakei und Österreichs seien und spätestens 1943/45 sei die Raumfrage zu lösen.  
Am 15. März 1938 erfolgte der "Anschluss" Österreichs. Bereits elf Tage später war das ganze Bankwesen Österreichs unter der Kontrolle der Deutschen- und Dresdener Bank. Die gesamte Schwerindustrie wurde den Reichswerken "Hermann Göring" einverleibt.  
 
Obwohl Deutschland die gesamte Finanz- und Wirtschaftskraft Österreichs absorbierte, traten bereits im Sommer 1938 noch größere Rohstoff- und Finanzprobleme als 1937 auf. Diese veranlassten den Finanzminister, am 1. September 1938 Hitler mitzuteilen, dass die Maßnahmen "die Kassenbestände vollkommen aufzehren". Göring verordnete bereits am 22. Juni 1938 die "Dienstpflicht zur Überwindung des Mangels an Arbeitskräften". Doch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten ließen sich nicht mehr überwinden, somit kam zum politischen Willen Krieg führen zu wollen, die ökonomische Notwendigkeit.  
 
 
 
 
 
 
 
Alljährlich findet in der Gedenkstätte des ehemaligen faschistischen Konzentrationslagers Salzgitter-Drütte, Nebenlager des KZ Neuengamme, eine Gedenkveranstaltung anläßlich der Befreiung vom Faschismus statt, an der auch frühere Zwangsarbeiter teilnehmen, die das Nazi-Programm "Vernichtung durch Arbeit" überlebt haben.  
 
 
Die Gedenkstätte befindet sich in Originalräumen auf dem Werksgelände der Salzgitter AG, der früheren Reichswerke Hermann Göring, sie ist damit die einzige Gedenkstätte auf dem Werksgelände eines "aktiven" Betriebes in Deutschland. Die Errichtung der Gedenkstätte wurde nach jahrelangen Bemühungen von Antifaschisten durchgesetzt. 
 
Anläßlich der Gedenkstunde 1999 sprachen VertreterInnen von Gesamtbetriebsrat und Vorstand der Salzgitter AG, der 2. Bürgermeister der Stadt, danach Peter Jürgen Schneider, Staatssekretär des niedersächsischen Ministerpräsidenten, Klaus Hartmann, Vorsitzender des Deutschen Freidenker-Verbandes sowie ein Vertreter der französischen Zwangsarbeiter. 
 
 
 
 
 
 
DER SPIEGEL 1949 ( 34/1999)  
URL: http://www.spiegel.de/spiegel/vor50/0,1518,36345,00.html  
Deutschland 
 
Es wachse das Erz  
 
Watenstedt-Salzgitters Oberbürgermeister Dr. Hoeck schloß die außerordentliche Ratsherrensitzung seines von Demontage bedrohten Großstadt-Torsos, ohne eine Entschließung vorzulegen. Worauf Ratsherrin Maria Hempel sagte: "Dann schicken wir zwei Telegramme. Eins an den Bischof von Chichester und eins an den Erzbischof von Caterburry." Presseamts-Chef Gerhard Schmidt wollte für Publizität sorgen.  
Seit Seine Exzellenz, der Bischof von Hildesheim Josef Godehard Machens, bei der Ratsherrensitzung mit theologischen Knüppeln auf die vorläufig endgültige Demontage der ehemaligen Reichswerke Hermann Göring im Harzer Vorland einschlug, ist der Beschluß der Interalliierten Reparations-Kommission von Brüssel (12.8.49), die den Verteilerschlüssel für Görings Reichswerke festlegte, vor die ökumenische Revisionsinstanz der internationalen Kirchenfürsten gekommen. Hier wird nicht mit Stahlkapazitäten operiert, sondern mit Sündenfällen.  
"Wenn Adolf Hitler gesündigt hat", rief Oberhirte Josef Godehard in die Feierabend-Halle des Lagers 9, wo Watenstedt-Salzgitters Ratsherren vor ebenso prominenter wie zahlreicher Zuhörerschaft tagten, "dann hat kein anderer das Recht, ihm auf diesem Wege zu folgen."  
"Oder ist es die Konkurrenz, die man fürchtet? Dann soll man endlich in der Achtung der Menschenrechte konkurrieren. Jeder Mensch hat ein Recht zu leben. Auch die Einwohner von Watenstedt-Salzgitter haben ein Recht, in der Sonne zu stehen."  
Hob Hildesheims Bischof die Hände: "Die hiesigen Arbeitslosen mit ihren Familien, die seit Jahren schon nur das Allernotwendigste kaufen können, sind in ihrer Fesselung eine viel furchtbarer drohende Atombombe der Verzweiflung als die von Texas."  
Brüssels Hohe Demontage-Kommissare dagegen leiten ihr Verdammnis-Urteil über Watenstedt-Salzgitters Stahlkochereien von der deutschen Kriegssünde her: Hermann Görings Reichswerke waren effektives Rüstungspotential und auch als solches geplant.  
Der andere Grund, warum die Millionen Tonnen jährlicher Stahlkapazität nicht 20 km vor der Zonengrenze liegen bleiben können, blieb unausgesprochen. Da aber in den Harzer Bergen jeder fühlt, worüber niemand spricht, gab in der Feierbend-Halle CDU-Finanzminister Dr. Goerg Strickrodt Antwort an die Theoretiker der verbrannten Erde: "Für einen Katastrophenfall liegt das Ruhrgebiet genau so nahe wie Salzgitter!"  
Dann prophezeite er, der gleichzeitig Custodian der Reichswerke ist: "In wenigen Jahren wird die Welt Salzgitters Stahl suchen." Das Harz-Erz 
soll Ostdeutschlands Stahlreservoir werden.  
Seit dem Spruch von Brüssel bangen in Watenstedt-Salzgitter 120 000 Einwohner um ihr Brot. 13 000 Facharbeiter haben schon seit Kriegsende keins mehr; mit ihnen mindestens je 3 Angehörige = 52 000 Brotlose. Wird die Demontage durchgeführt, erhöhen sich die Schlangen vor Watenstedt-Salzgitters Arbeitsamts-Baracken um weitere 5000 Hüttenmänner, mit Angehören abermals 20 000 Hungernde.  
Fünf Sechstel von den 120 000 Einwohnern der größten Geisterstadt Europas sind zudem zusammengewürfelte Fremde. Von denen sind wiederum 35 000 Flüchtlinge. Sie bezogen die Baracken, die 35 000 Fremdarbeiter 1945 verließen; 15 000 Polen, Rumänen, Tschechen und Letten sind bis heute an den Harzhängen geblieben.  
Die Eingeborenen sind mit 20 000 in hoffnungsloser Minderheit, die landwirtschaftliche Urbevölkerung jener 28 Dörfer, die am 1. April 1942 zur Hermann-Göring-Stadt (auf 209 qm = Größe des US-Sektors von Berlin) zusammengefaßt wurden. 300-Seelendorf Lebenstedt sollte Stadtkern mit allein 250 000 Einwohnern werden. Die ganze Göringstadt = 500 000 Einwohner.  
In Braunschweigs Vorland (Bodenklasse I) werden Weizen und Rüben gebaut. Was die Bauern anfaßten, wurde zu Kuchen. Am 15. Juli 1937 aber kamen die Stahlmanager in Salzgitters Ratskeller, um die Reichswerke zu gründen, sie wollten keinen Kuchen, sondern Macht.  
Als die Ratskeller-Pokulanten schon stark bezecht waren, mußten sie noch den Standort der Hütte ausmachen. Göring tippte auf die Karte: "Da kommt die Hütte hin" Braunschweigs NS-Ministerpräsident Dietrich Klagges wurde blaß. Göring hatte auf preußisches Gebiet getippt. Klagges beschloß, zu mogeln. Er ließ die Hütte in den Wolfenbütteler Kreis nach Watenstedt ins Amt Salder rutschen. Der war braunschweigisch. Das war Welfenrache.  
Seitdem muß die Erzbahn das Erz 15 km weit von den Salzgitter-Schächten zur Hütte karren. Der Verlierer war Goslar. Zum zweiten Mal in seiner Geschichte.  
Franz Zobels neueste Stadtgeschichte von Watenstedt-Salzgitter läßt dieses große weltpolitische Spiel historisch-materialistisch abrollen: Harzer Erz gründete 970 Goslars Macht. Ottos I. Reichtum ermöglichte von Goslars Kaiserpfalz aus die Gründung Magdeburgs, des Bollwerks im Kampf gegen die slawischen Wenden. (Imaginäre Überschrift: "1000 Jahre umsonst." Heute exerzieren die Slawen in Magdeburg. Mit Panzern.)  
"1176 fordert Heinrich der Löwe vom Kaiser Friedrich Rotbart als Voraussetzung seiner Beteiligung an dessen Italienzug den Goslarer Bergbau. Die Folgen der Verweigerung der Erze, die den mächtigen Welfen übermächtig hätten werden lassen, sind für den Kaiser die Niederlage bei Legnano, für den Herzog die anschließende Zerstörung seines Reichs". So Zobels kühne historische Konzeption.  
In diesem Harzer Vorland lagern heute noch zwei Milliarden Tonnen Erz. Auf diesem bedeutendsten innerdeutschen Erzvorkommen sollten die Reichswerke Hermann Göring errichtet werden: bei 6 Millionen Tonnen jährlicher Erzförderung vorläufig 1 728 000 Tonnen Stahlausstoß.  
Soviel bei 12 bis 1945 fertiggestellten Hochöfen. 32 Hochöfen waren jedoch geplant = 4 Millionen Tonnen maximale Jahres-Stahlerzeugung (ganz Deutschland besaß 128 Hochöfen). In einem Schornstein der Erzaufbereitung wurden 1 350 000 Mauersteine verbaut = 45 Einfamilienhäuser. Gespart wurde nicht.  
Denn der Erbauer der Reichswerke war kein Deutscher. Göring holte sich dazu seinen Sippenverwandten, den Amerikaner Hermann Alexander Brassert. Dessen Urgroßvater war noch Kriminalrat in Berlin, sein Großvater (schon branchen-näher) Berghauptmann in Dortmund. Vater Brassert, bereits Eisengroßhändler in England, schickte seinen London-geborenen Sohn Hermann noch aufs Freiburger Gymnasium, ehe er ihn Oktober 1897 mit einem 1000-Dollar-Scheck Amerikas Hüttenwerke studieren ließ.  
Hermann A. Brassert, 1908 Amerikaner geworden, stieg in den Staaten zu höchsten Stahl-Würden auf: im Weltkrieg Nr. 1 löste er für die USA das drückende Problem des Manganerzmangels.  
Zahllose Gutachten für Wallstreets Banken über dollar-hungrige Ruhr-Montanwerke (August Thyssen-Hütte, Gelsenberg, Klöckner) verfaßte die H. A. Brassert Inc. Consulting engineers, deren Chairman of board heute noch der jetzt 74jährige Stahlfürst ist. Bei der Gründung der Vereinigten Stahlwerke 1926 stand Brasset Pate.  
Als Hermann A. Brassert Juni 1938 inmitten von 200 Teilnehmern an Hermann Görings Familientag über Berlins Havelseen fuhr, hatte er den Bauauftrag für die Reichswerke schon in der Tasche. Feldmarschall-Versippter war er über seine Mutter Marie Caroline, geb. Stein, geworden. Familien Stein, Lohe und Lüps gehörten zu Görings Sippenverband.  
Brassert kannte das Geheimnis der Verhüttung saurer Erze. Das Harzer Erz hat einmal nur 30 vH. Eisengehalt (Schwedenerz = 60 vH. Fe), zum anderen viel Kieselsäure.  
Als Brassert Sippenbruder Göring ein kleines Ruhrgebiet an die Herzer Berge gelehnt hatte, machten Düsseldorfs Stahlhaus-Herren große Augen. Ruhr und Harz sind heute noch spinnefeind. Sobald sich Heinrich Dinkelbach im Raume Watenstedt-Salzgitter blicken läßt, rauscht es in Niedersachsens Blätterwald.  
Den größten Ärger aber hat Brassert. Der füllt heute in US-Zeitungen Verteidigungsspalten, seit Kohlen-Reichsleiter und Reichswerke-General-Direktor Paul Pleiger  
in Nürnberg zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt wurde.  
Nach dem letzten Washingtoner Abkommen der drei westlichen Außenminister wurde die Produktionsgrenze der Dreierzone für Stahl auf jährlich 11,1 Millionen t festgesetzt. Da die westdeutsche Stahlkapazität zur Zeit nur 9 Millionen t erreicht, wäre für die Differenz Salzgitters Existenzberechtigung erwiesen.  
Sagt Schmidt weiter: "Zur Erzeugung einer Tonne Roheisen müssen 2,8 Tonnen Erz und Sinter zu den Ruhrhochöfen transportiert werden, neben den 1,9 Tonnen Kokskohle, die man braucht. Wenn man also die Salzgitter-Erz an der Ruhr verhütten will, muß man 2,8 Tonnen befördern. Wer aber dieses Erz in Watenstedt verhüttet, braucht nur 1,9 Tonnen Kohle nach Watenstedt zu fahren."  
Eine Groteske ist die Wasserversorgung der unvollendet gebliebenen Göring-Stadt: sie war ausgerichtet auf den Wasserbedarf von 500 000 Einwohnern und 32 Hochöfen. Ein Hochofen hat allein den Wasserverbrauch einer Stadt von 25 000 Einwohnern. So müssen Watenstedts fünf Wasserwerke jährlich 50 Millionen Kubikmeter bestes Harzwasser wegschütten. Es kann keiner kaufen.  
Nach dem Brüsseler Beschluß bleiben der Erzbergbau mit den Aufbereitungsanlagen, das Kraftwerk und drei Hochöfen für Watenstedt-Salzgitter.  
"Laßt uns fünf Hochöfen, drei Konverter, einen Mischer, vier Kokerei-Batterien, ein Stahlwerk und drei Walzenstraßen, denn nur der Verbundbetrieb vom Hochofen zum Walzwerk in einer Hitze sichert uns ein bescheidenes Leben", machte Hauptbetriebsratsvorsitzender Söchting ein letztes Angebot. Er sprach im Anschluß an die Ratsherrensitzung zu 12 000 Kundgebern, inmitten des Hüttenwerks. Direktoren und Hofarbeiter standen in Einheitsfront. Dutzende von Transparenten forderten die Erhaltung ihrer Brotstelle.  
"Oder die Reparations-Kommission von Brüssel ist die Hinrichtungs-Kommission der deutschen Arbeiterschaft." 
 
 
 
Salzgitter's Geschichte 
 
Salzgitter Homepage 
1937 
Gründung der Reichswerke am 15. Juli.  
1939 - 1945 
Der zweite Weltkrieg mit 1111 Luftwarnungen. Während die Hütte häufig angegriffen worden ist, bleiben die Wohnsiedlungen verhältnismäßig verschont.  
1. April 1942 
Die Gründung der Stadt Salzgitter aus 7 Ortschaften des ehemaligen preußischen Kreises Goslar und 21 Ortschaften des braunschweigischen Kreises Wolfenbüttel wird am 1. April 1942 durch den Reichsstatthalter von Anhalt und Braunschweig, Jordan, verfügt. Sie erhält den Namen Watensted-Salzgitter.  
10. April 1945 
Amerikanische Truppen besetzen - nach stundenlangen Artilleriebeschuß - die Stadt und die Hütte.  
12. August 1949 
Die interallierte Reparationskommission in Brüssel gibt 9 Hochöfen, das Walzwerk, das Stahlwerk, die Gießerei und zahlreiche Nebenlager zur Demontage frei.  
1950 
Die interallierte Anweisung zur Entmilitarisierung des Salzgittergebietes ordnet die Sprengung von 90 ller Hochbauwerke der Hütte einschließlich ihrer Fundamente an. Gegen diese Anordnung erheben sich die Arbeiter des Werkes. Ihre spontane Handlung ist der Beginn der Einstellung der Demontage in Deutschland überhaupt.  
1951 
Durch Ratsbeschluß erhält die junge Großstadt den Namen Salzgitter.  
1. April 1982 
Stadt Salzgitter 40 Jahre.  
Juni 1982 
Einstellung des Erzbergbaues in Salzgitter, Schacht Haverlahwiese geschlossen.  
1995 
Seit 1995 hat Salzgitter ein Wahrzeichen - das Monument zur Stadtgeschichte, vom Bildhauer Prof. Jürgen Weber. In der City erzählt es vom Leiden der Zwangsarbeiter und KZ - Häftlinge beim Aufbau der Industrie des Nationalsozialismus, von der Flucht aus der Heimat jenseits der Oder und Neiße, vom Kampf gegen Demontage der Hütte und dem Lebens- und Aufbauwillen der Menschen. Die Stadt steht als Musterbeispiel für die deutsche Zeitgeschichte. 
 
 
 
 
 
1950: der DGB verteidigt das „Erbe“ der Reichwerke Hermann Göring als authentisches „Volksvermögen“  
 
 
 
(Gewerkschaftliche Monatshefte des DGB, Ausgabe 6/1950) 
 
 
Der Streit um das Erbe 
 
Anlässlich der Haushaltdebatte im Bundestag wurde von Dr. Höpker-Aschoff die Frage des ehemaligen Reichs- und Preußen-Vermögens angeschnitten. In liebenswürdigem Ton sprach er eigentlich mehr als ehemaliger Preußenminister, insbesondere, als er Bayern die Rechnung zwischen Hohenzollern und Wittelsbach aufmachte. Bedeutsam ist jedoch, dass damit zum ersten Mal in der Öffentlichkeit eine Frage aufgeworfen wurde, die allgemeines Interesse hat und die ganz besonders das Interesse der Arbeitnehmerschaft besitzt. 
Es ist nicht gut möglich, eine exakte Zahlen- und Wertvorstellung von dieser „Erbmasse" ehemaligen Reichs- und Preußen-Vermögens zu geben. Als Orientierung mag die Tatsache erwähnt werden, dass in den Betrieben, an denen der Staat (sic!) maßgeblich beteiligt war, heute noch mehr als 90 000 Menschen beschäftigt sind. Es würde auch viel zu weit führen, wenn man die einzelnen Teile dieses Erbes, ja selbst nur die größten Unternehmungen, einzeln aufführen würde. Es mag hier genügen, die Namen der großen Reichs- und Preußen-Konzerne zu nennen: Preag, Viag, Veba, Preußag, REICHSWERKE (NAME?), Preußenelektra. Es handelt sich also bei dieser Frage des Erbes um einen beachtenswerten Wirtschaftskomplex. 
Wie wohl bei jeder Erbschaft, entbrennt auch beim ehemaligen Reichs- und Preußen-Vermögen der Streit um die Berechtigung zum Erben. Das Grundgesetz bestimmt in seinem Artikel 134, 1, dass das Vermögen des Reiches grundsätzlich Vermögen des Bundes sein wird. Im Artikel 135, 6 heißt es, dass die Beteiligungen des preußischen Staates an Wirtschaftsunternehmungen auf den Bund übergehen. Mit der hier offen gelassenen Frage, was denn mit dem übrigen Vermögen des ehemaligen Preußen zu geschehen habe, wird ein Problem berührt, das sofort in weit komplizierterer Form wieder auftaucht. — Diese Bestimmungen des deutschen Grundgesetzes waren zu einer Zeit erarbeitet, als das gesamte Reichs- und Preußen-Vermögen noch unter der Kontrolle der Besatzungsmächte stand. Durch besondere Gesetze bzw. Verordnungen haben nun die westlichen Besatzungsmächte das bislang blockierte Erbe freigegeben, aber — und hier beginnt das Problem — in unterschiedlicher Weise: 
Die britische Militärregierung hat mit ihrer Verordnung 202 das in der britischen Zone liegende Vermögen des Reiches und des früheren Staates Preußen auf den Bund gemäß Grundgesetz übertragen. Durch das Gesetz Nr. 19 der amerikanischen Militärregierung wurden in der amerikanischen Zone grundsätzlich die Länder Eigentümer des in ihrem. Gebiet liegenden Vermögens des Reichs und Preußens. Gleichzeitig wird jedoch bestimmt, dass der Bund jede Verfügung zu Gunsten der Länder, die mit dem Grundgesetz nicht übereinstimmt, rückgängig machen kann. Die Verordnung 217 der französischen Militärregierung hat den betroffenen Ländern das Reichs- und Preußen-Vermögen übertragen, ohne den einschränkenden Zusatz wie in dem amerikanischen Gesetz zu machen. 
Die mit dieser unterschiedlichen Regelung geschaffene Situation wird nun weiter noch dadurch kompliziert, dass unter „Vermögen" schlechthin nicht alle Werte verstanden und entsprechend gleich behandelt werden. Man wird zur genaueren Orientierung unterscheiden müssen: 1. Verwaltungsvermögen (im wesentlichen Liegenschaften); 2. Beteiligungen (im wesentlichen arbeitende Wirtschaftsunternehmungen). Nimmt man nach dieser Scheidung das Verwaltungsvermögen heraus, dann zeigt es nach den Militärregierungsgesetzen folgende unterschiedliche Behandlung: 1. Britische Zone: Verwendung nach Grundgesetz; 2. US-Zone: Ländereigentum, sofern nicht ein Bundesgesetz etwas anderes bestimmt; 3. französische Zone: Ländereigentum; nur ein eng umgrenztes Stück kann sich der Bund mithilfe eines bis zum 23. 5. 1950 zu erlassenden Bundesgesetzes sichern. 
Demgegenüber ergibt sich für die Beteiligungen folgende Regelung: 1. Britische Zone: Eigentum des Bundes; 2. US- und französische Zone: Soweit eine hundertprozentige Beteiligung des Reiches oder Preußens vorliegt, gehen die realen Vermögenswerte dieser Unternehmungen in das Eigentum der betroffenen Länder über. Unklarheit in der Regelung besteht, wenn die Beteiligung unter 100 v. H. liegt. Praktisch sind die Eigentümerfunktionen in der Zwischenzeit auf die unterschiedlichste Weise gehandhabt worden. In der britischen Zone verwalteten die betroffenen Länder bislang die ehemaligen Reichs- und Preußenwerte; allerdings haben sie sich dabei nach den Weisungen des Bundes zu richten. Die Länder der amerikanisch und französisch besetzten Zone fühlen sich dagegen in der Rolle von Eigentümern. Sie weisen auf die Bestimmungen der Militärregierungsgesetze hin, die vom Grundgesetz solange nicht außer Kraft gesetzt worden seien, wie kein Spezialgesetz des Bundes vorliegt. Um in die Verwaltung des Vermögens eine erträgliche einheitliche Linie hineinzubringen, hat das Bundesfinanzministerium monatelang mit den Ländern verhandelt. Bei diesen Verhandlungen ging es um das Verwaltungsvermögen und um die Beteiligungen. Es ist für die weitere Beurteilung des Problems nicht uninteressant zu wissen, dass hinsichtlich der Beteiligungen das Bundesfinanzministerium vorgeschlagen hatte, dass von jeder Reichsbeteiligung 51 v. H. der Aktien dem Bund verbleiben, während die restlichen 49 v. H. an die Länder verteilt werden sollten. Es ist bemerkenswert, dass die Länder diese angebotenen Prozente am „Beteiligungskuchen" als zu geringfügig ablehnten! Sie wollten vielmehr ins ausschließliche Ländereigentum die Unternehmungen mit lediglich regionaler Bedeutung wie auch die Gesellschaften bekommen, die in mehreren Ländern über Betriebsstätten verfügen. Lediglich an den größeren Unternehmungen mit Bundesbedeutung sollte der Bund — natürlich als Minderheitsbeteiligung! — beteiligt werden. 
Es daran erinnert werden, dass die Beteiligungen des ehemaligen Reiches und Preußens keine organisch gewachsenen Konzerne darstellen. Es sind im Laufe der Zeit durch Willen oder Zufälle zusammengefügte Stücke, die als Ganzes besonders durch Rüstungs- und Kriegswirtschaft eine ausgesprochene einseitige Orientierung erfuhren, die durch Zonentrennung, durch Demontagen, Restitutionen und Industrieverbote in ihrer Gesamtstruktur wesentliche Einbuchtungen und Verzerrungen erfahren haben. Die aus Teilen zusammengefügten „Konzerne" des Reiches und Preußens stehen demnach, heute noch weniger geschlossen da als zuvor. Darüber darf auch nicht die Tatsache hinwegtäuschen, dass nach dem Waffenstillstand die Alliierten an die Spitzen der Konzerne Treuhänder (trustees, custodians usw.) setzten, die im Laufe der Zeit das gesamte Management „ihres" Konzerns in die Hände nahmen. Tatsache ist vielmehr, dass wir im Gesamtkomplex der ehemaligen Reichs- und Preußen-Beteiligungen ein unrationelles Nebeneinander und ein unwirtschaftliches Stufensystem ohne rationelle Verzahnung vor uns haben. Tatsache ist ferner, dass die damit durch „Entflechtung" und „Flurbereinigung" notwendigen Korrekturen nicht von den Ländern durchgeführt werden können. Es bleibt nur die Lösung, vom Bund aus ein fachmännisches Neuordnungsgremium einzusetzen, das nach bestem Wissen und Gewissen Vorschläge ausarbeitet, die dann das „placet" des Bundestages, also der Volksvertretung, zu finden haben. 
So klar die Tendenzen der Länder und der Manager sind, so klar und eindeutig ist andererseits die Auffassung des Volkes, das — in seiner überwältigenden Mehrheit als Arbeitnehmerschaft — nur auf dem einfachen und eindeutigen Standpunkt stehen kann: Es handelt sich bei der Erbmasse ehemaligen Reichs- und Preußen-Vermögens um altes Volksvermögen (!), d. h. also um praktisch in Gesamthand befindliches Eigentum. Daraus folgt einmal eine Gesamthand-Eigentumsverwaltung und zum anderen, was eigentlich entscheidend ist, das Gesamthand-Management. Bei dieser Forderung leitet die Arbeitnehmerschaft ihre Ansprüche aus der Tatsache ab, dass altes Volkseigentum vorliegt, während mancher Manager nur den Zufall oder ein besonderes Entgegenkommen irgendeiner Stelle irgendeiner Besatzungsmacht anzuführen im Stande sein dürfte.  
Mit diesen wenigen Strichen ist nur der grobe Umriss eines ebenso umfangreichen wie komplizierten Problems angedeutet.  
 
 
 
Plakat: DGB verteidigt das Erbe (Reichwerke Hermann Göring) 
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Letzte Änderung am 2.09.2002
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